Dieter Radl

Ich bin in evangelisch-lutherischer Tradition aufgewachsen und verbrachte im Kreis meiner Familie eine recht glückliche Kindheit auf dem Land. Wir waren eine klassisch gottesfürchtige Familie mit Tischgebet und jeden 2. Sonntag in der Kirche (vor der Konfirmation aber doch jeden Sonntag).

Ich habe nie an der Existenz Gottes und des Himmels gezweifelt und mit mäßigem Interesse die biblischen Geschichten im Religionsunterricht gehört. Obwohl es als Kind für mich feststand, dass ich einmal in den „Himmel kommen“ wollte, war mir Gott, Glaube und Bibel doch etwas Rätselhaftes, Geheimnisvolles, Schleierhaftes. Ich war religiös und blieb doch ein Suchender, ohne wirkliche Beziehung zu Gott, von dem ich v.a. von meiner Großmutter, in der Kirche und im Religionsunterricht hörte. Sehr zu denken gab mir der unterschwellige Streit bzw. die gegenseitige Verachtung der Angehörigen der beiden großen Konfessionen in unserer Gegend. Dies spürte ich besonders deutlich, als sich eine Freundschaft zu einem katholischen Mädchen anbahnte. „Wo liegt die Wahrheit? Welche ist die wahre Religion?“ fragte ich mich.

Mit 19 Jahren trat ich in Wien die Ausbildung zum Pflichtschullehrer an. Hier lernte ich im Lauf von drei Jahren Menschen kennen, die sehr ernsthaft die Bibel studierten und vorgaben, eine lebendige Beziehung zu Gott, dem Schöpfer zu haben. Sie nannten Jesus Christus ihren Herrn und Erlöser. Stolz und überheblich blieb ich anfangs skeptisch auf Distanz. Doch die freudige Glaubensüberzeugung dieser freikirchlichen Christen – wie sie sich nannten – und ihr zuversichtliches, hoffnungsvolles Gottvertrauen blieb mir nicht verborgen. Ich hingegen war unsicher, unruhig, nach Sinn, Wahrheit und Glück suchend. Auch die Beziehung zu dem katholischen Mädchen befriedigte mich nicht wirklich.

Innerlich unzufrieden und frustriert über mein oberflächliches Leben begann ich in der Bibel zu lesen. Mein erstes Interesse galt dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Meine Fragen diesbezüglich brachten eine gläubige Studienkollegin ins Schwitzen. Auf ihr Anraten begann ich dann das Neue Testament von Anfang an bei den Evangelien zu lesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich fest davon überzeugt, dass ich durch ehrliches Bemühen und durch meine eigenen Anstrengungen den Himmel und das Wohlwollen Gottes erreichen könnte. Meine Devise lautete: „Lebe so gut wie möglich, dann wir Gott zufrieden sein.“ Dieses religiöse Gedankengebäude zerbrach aber, als ich den Römerbrief des Apostels Paulus las. Vor allem die Kapitel 3 und 4 erschütterten die Fundamente meines „Lebenshauses“ derart, dass ich mich deutlich vor eine lebenswichtige Entscheidung gestellt sah.

Es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.“ (Römerbrief 3,23) „…wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist, so hat er etwas zum Rühmen, aber nicht vor Gott. Denn was sagt die Schrift? >Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet<“ (Römerbrief 4,2+3) Nicht meine Anstrengungen bringen mich in die ewige Gemeinschaft mit Gott, sondern allein das Erlösungswerk Jesu Christi am Kreuz für meine Sünde. Ich erkannte nämlich, dass meine selbstsüchtigen Beziehungen zu den Menschen des anderen Geschlechts, mein Stolz und meine Überheblichkeit Andersdenkenden gegenüber vor Gott nicht recht waren. Sein Wort, die Bibel, überführte mich von meiner Sünde und ich bat Gott in einem schlichten Gebet um Vergebung mit dem Wunsch, dass ich meinen bisherigen Lebensweg nicht mehr weitergehen wollte. Stattdessen kehrte ich um im Glauben und Vertrauen auf Gottes Hilfe auf einen Weg, den ER mich führt. Das bekannte Buch „Jesus, unser Schicksal“ des deutschen Pastors Wilhelm Busch bestärkte mich noch in meinem Entschluss. In dieser Zeit wurde mir der Unterschied zwischen Religion und Evangelium deutlich.

All das geschah Ende 1984, Anfang 85 und ich erfuhr durch das Lesen von Gottes Wort, durch Gebet und Gemeinschaft mit anderen Christen, dass der, der mich geschaffen hat ein lebendiger, persönlicher, gerechter und gnädiger Gott ist. In Studentenbibelkreisen und einer Christlichen Gemeinde mit neutestamentlicher Ausrichtung lernte ich nun Schritt für Schritt, an den Gott und Vater des HERRN Jesus Christus zu glauben und im Alltag mit IHM zu leben. 1988 gab mir der HERR meine liebe Frau Erika zur Seite – sie war übrigens diejenige, die mir den Rat gegeben hatte, das Neue Testament von Anfang an zu lesen – und ich bin Gott dankbar, dass wir beide den Weg des Glaubens an unseren Schöpfer und Erlöser Jesus Christus gehen dürfen. ER hat uns auch fünf gesunde und liebe Kinder geschenkt.

Ich bereue meine Umkehr von 1984/85 an keinem einzigen Tag meines Lebens. Natürlich ist es auf Gottes neuen Wegen der Nachfolge Jesu nicht immer über sonnige Höhen gegangen. Es gab und gibt so manche Lebensprüfungen zu bestehen, Tiefen zu durchschreiten, Herausforderungen anzunehmen, mancherlei Versagen, Niederlagen, Fehlgriffe … – persönlich, in der Ehe und Familie, im Beruf und in der Gemeinde Jesu. Egoismus, Stolz und Überheblichkeit sind noch in meinem Herzen vorhanden, aber stets weiß ich, dass Gott mich formt und verändert durch SEINEN Heiligen Geist. SEINE Gnade, SEINE Vergebung und SEIN Erbarmen sind groß. „Die Gnadenerweise des HERRN sind nicht zu Ende, ja, sein Erbarmen hört nicht auf, es ist jeden Morgen neu. Groß ist SEINE Treue.“ (Klagelieder Jeremias 3,22+23)

SEIN Wort ist „nicht Menschenwort, sondern das, was es in Wahrheit ist, Gottes Wort, das in euch wirkt, die ihr glaubt.“ (2.Thessalonicher 2,13) Ich bin Gott, dem HERRN dankbar, dass es nicht nur in Wien, sondern ebenso im Burgenland Gemeinde Jesu Christi gibt und dass ich mit meiner Familie im Bezirk Oberwart Teil davon sein darf. Einst ein ruhelos Suchender darf ich dem Zitat des Kirchenlehrers Augustinus zustimmen, der sagt: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, o Gott“.  

 „Denn der Sohn des Menschen [Jesus Christus] ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lukasevangelium 19,10) Ich war verloren und wie ein Schaf in der Wüste verirrt, doch durch Gottes Gnade und das Erlösungswerk des HERRN Jesus am Kreuz von Golgatha bin ich von IHM, dem guten Hirten, gefunden, errettet und zu einem Leben mit IHM befreit.